Nachhaltige Mental-Health-Versorgung für Somalia

Seit Jahrzehnten leidet Somalia unter der Gewalt durch andauernde interne Konflikte, Hunger und Naturkatastrophen. 30% der Einwohner sind dauerhaft vertrieben. Der Konsum der abhängigmachenden Kaudroge Khat ist weit verbreitet. Dies geht einher mit ungewöhnlich hohen Raten psychiatrischer Störungen. Das Projekt entwickelte neue nachhaltige Präventions- und Versorgungskonzepte speziell für Krisen- und Entwicklungsländer.

Konferenzteilnehmer in Nairobi © Dr. Michael Odenwald

Konferenzteilnehmer in Nairobi © Dr. Michael Odenwald

Ziel des Fördervorhabens

Seit Jahrzehnten liegt die staatliche Infrastruktur Somalias am Boden. 30% der 7,7 Mio. Einwohner sind dauerhaft vertrieben und leben unter menschenunwürdigen Zuständen und ohne Aussicht auf Besserung in Lagern im eigenen Land und in den Nachbarländern.

Neben der Gewalt durch andauernde interne Konflikte, Hunger und Naturkatastrophen ist der Konsum der abhängigmachenden Kaudroge Khat sehr weit verbreitet.

Kaudroge Khat, die in Somalia und den Nachbarländern konsumiert wird.
© Dr. Michael Odenwald / Uni Konstanz

Die in Khat enthaltenen amphetaminähnlichen Stoffe können z.B. Verfolgungswahn und Gewaltausbrüche auslösen. Die WHO berichtete 2010 von den Gesundheitsgefahren des immer weiter steigenden Khatkonsums und von den ungewöhnlich hohen Raten psychiatrischer Störungen in der Gesamtbevölkerung Somalias, gleichzeitig das eklatante Fehlen von psychiatrischen Versorgungsressourcen und -strukturen sowie von angepassten Präventionsund Versorgungskonzepten. Das geförderte Vorhaben hatte zum Ziel, einen wesentlichen Beitrag zur Schließung dieser Wissens- und Versorgungslücke zu leisten. 

Einsatz der Ergebnisse

Das Projekt trug zum Forschungsgebiet bei, das neue nachhaltige Präventions- und Versorgungskonzepte für Krisen- und Entwicklungsländer entwickelt, wo für die Behandlung psychischer Störungen weder genügend Fachkräfte noch flächendeckend Krankenhäuser zur Verfügung stehen.

Förderbekanntmachung
Partnerschaften für nachhaltige Lösungen mit Subsahara-Afrika

Partnerland/ -region
Subsahara Afrika

Laufzeit
01.01.2014 – 29.04.2016

Partnereinrichtungen
Universität Konstanz

Vivo international e.V

Africa Mental Health Foundation (AMHF), Nairobi, Kenia

University of Nairobi, Kenia

Weitere Informationen

Die Ergebnisse des Vorhabens schließen konzeptuelle und Wissenslücken im Bereich gemeindenaher psychiatrischer Versorgung, die an die spezifische Situation von somalischen Vertriebenen angepasst ist. Sie erleichtern die Planung und Implementierung von Präventions- und Versorgungsmaßnahmen für diese belastete Bevölkerungsgruppe.

Die hier im Projekt entstandenen Tools können durch  verschiedene Akteure (staatlich, NGOs) lokal bei der medizinischen Versorgung und der Prävention in akuten und langdauernden humanitären Krisensituationen eingesetzt werden, z.B. in Flüchtlingslagern oder in den von Binnenvertriebenen bewohnten Slumgebieten somalischer Städte. Außerdem trug das Projekt zur Politikentwicklung und Konzeptbildung auf übergeordneter Ebene bei. Indirekt leisten die Ergebnisse zudem einen Beitrag zum Aufbau von Perspektiven und damit zu einem Schritt aus dem Gewaltkreislauf.

Mehrwert der internationalen Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Partnern ermöglichte die Nutzung komplementären Wissens zur Studienplanung, den Zugang zu lokalen Netzwerken und zu geeignetem lokalen Personal. Sie trug wesentlich zur Durchführung komplexer Studien in für Wissenschaftler schwer zugänglichen Stadtbezirken Nairobis bei, wo viele somalische Flüchtlinge unter schwierigen Bedingungen leben und wo eine hohe Gewalt- und Kriminalitätsrate herrscht. Ferner konnte durch die Zusammenarbeit mit dem lokalen Partner die berufsständischen und staatlichen Organisationen in Kenia und der ganzen Region eingebunden und beteiligt werden.

Besondere Ergebnisse und Erfolge der Maßnahme

Lokales Studienteam in Nairobi: Collegeabsolventen aus der somalischen Community wurden unter Anleitung von wissenschaftlichem und medizinischem Fachpersonal ausgebildet, die mit einer Kurzintervention Khat-User zur Reduktion des schädlichen Substanzgebrauchs motivieren konnten.
© Dr. Michael Odenwald / Uni Konstanz

Das Projekt entwickelte und evaluierte angepasste psychiatrische Präventions- und Behandlungskomponenten, die gemeindenah und unter Einsatz von trainierten Personen aus verschiedenen Gruppen unterhalb des Facharztniveaus (Allgemeinmediziner; Laien) effektiv angewendet werden können. Im Einzelnen waren dies eine manualisierte Kurzpsychotherapie (12 Sitzungen) zur Behandlung von Personen mit gleichzeitiger Khatabhängigkeit und Posttraumatischer Belastungsstörung durch trainiertes medizinisches Fachpersonal und eine Kurzintervention durch trainierte Laien zur präventiven Verringerung des Khatkonsums. Die Ergebnisse des Projekts zeigen die hohe Akzeptanz, die Anwendbarkeit unter den schwierigen Bedingungen vor Ort und die Wirksamkeit von diesen bislang nicht existierenden Tools, die im nächsten Schritt in größeren klinischen Studien erprobt werden müssen.

Zum Ende des Förderzeitraums konnten wir einen internationalen Workshop organisieren, in dem die Ergebnisse unseres Projektes sowie anderer Projekte in der Region von einem hochrangigen internationalen Publikum diskutiert und Wege der weiteren Zusammenarbeit entwickelt wurden. Unter den Teilnehmern waren Vertreter von afrikanischen und außerafrikanischen Universitäten, staatlichen, internationalen oder berufspolitischen Organisationen, afrikanischen und europäischen NGOs sowie psychiatrischen Versorgungseinrichtungen. Im Workshop wurde das „Nairobi Position Statement on Refugee and IDP Mental Health Care“ entwickelt und verabschiedet. Ferner entstanden daraus u.a. mehrere weiterführende Forschungsinitiativen und ein hochrangiges Symposium auf der Jahrestagung der World Psychiatric Association in Berlin 2017.

Ansprechpartner/in

DLR Projektträger
Europäische und internationale Zusammenarbeit
Petra Ruth Vogel
Tel.: +49 228 3821 1461

Universität Konstanz
Klinische Psychologie
Dr. Michael Odenwald
Tel.: +49 7531 88 4621