Sichere und zielgenaue Entnahme von Gewebeproben aus dem Gehirn

Eine zielgenaue Behandlung von Hirntumoren erfordert die Entnahme von Gewebeproben des Tumors aus dem Gehirn. Das deutsch-russische Forschungsprojekt untersucht, wie sich das Risiko einer Hirnblutung beim Eindringen der Biopsie-Nadel durch die Verwendung von Glasfasern, Fluoreszenzfarbstoffen und bildgebenden Verfahren reduzieren lässt.

Histologische Aufnahme eines Hirngewebes mit Stichkanal einer Nadel

Histologische Aufnahme eines Hirngewebes mit Stichkanal einer Nadel © MRC Systems GmbH / Marcus Götz

Ziel des Fördervorhabens

Bei der Entnahme von Gewebeproben (Biopsien) aus Hirntumoren, die zur Feststellung der Art des Tumors und zur Therapieplanung durchgeführt wird, bestehen erhebliche Probleme und Risiken. Einerseits besteht Unklarheit, von welcher Stelle im Tumor eine aussagekräftige Biopsie gewonnen werden kann, mit der Folge, dass zahlreiche Gewebeproben entnommen werden müssen. Andererseits ist sowohl während der Einführung der Biopsienadel als auch mit jeder einzelnen Gewebeentnahme die Gefahr gegeben, bei Verletzung eines größeren Blutgefäßes eine Hirnblutung auszulösen.

Förderbekanntmachung
Deutsch-russischer Förderwettbewerb von BMBF und FASIE (Russischer Fonds für die Unterstützung kleiner innovativer Unternehmen) im Bereich angewandter industrienaher Forschung

Partnerregion/-land
Russland

Laufzeit
01.01.2015 – 30.06.2017

Partnereinrichtungen
MRC Systems GmbH, Heidelberg

Laser-Forschungslabor, Klinikum der Universität München

NeuroSpec LLC, Moskau

Burdenko Neurosurgery Institute, Moskau

Diese Probleme sollen durch den Einbau optischer Glasfasern in die Biopsienadel gelöst werden. Der ideale Entnahmeort der Biopsie wird durch Markierung mithilfe eines Fluoreszenzfarbstoffes identifiziert, der sich bereits in der klinischen Anwendung bei der operativen Tumorentfernung bewährt hat. Im Idealfall genügt die Entnahme einer einzigen Gewebeprobe. Mithilfe einer Spektralanalyse des vom Gewebe zurückgestreuten Lichts sollen zudem Blutgefäße rechtzeitig erkannt werden, um eine Hirnblutung zu vermeiden. Die optischen Biopsienadeln sollen in ein mechanisches Zielsystem integriert und die Signale in einem bildgebenden Planungssystem zusammen mit Computertomographie- und Kernspinaufnahmen dargestellt werden.

Einsatz der Ergebnisse

Das zu entwickelnde Medizinprodukt, also die faseroptisch ausgestattete Biopsienadel, sowie die zugehörigen Hardware- und Softwarekomponenten sind für die Verwendung in der Neurochirurgie, insbesondere bei Verdacht auf Vorliegen eines bösartigen Gehirntumors, vorgesehen. Der unmittelbare Marktzugang wird daher zunächst die bestehenden Neurochirurgischen Zentren in den beiden Partnerländern adressieren. Dies sind 150 in Deutschland (www.dgnc.de) und 74 in der Russischen Föderation (www.rosminzdrav.ru). Bei einem Marktanteil von 80 Prozent wären etwa 180 Einheiten dieses Medizinproduktes umsetzbar.

Darüber hinaus ist denkbar, unter Verwendung der gleichen Messprinzipien auch ähnliche Geräte herzustellen, die in anderen medizinischen Fachbereichen eingesetzt werden können, zum Beispiel bei Prostata-, Bauchspeicheldrüsen- und Brusttumoren oder bei Lebermetastasen.

Gewebeentnahme aus Hirntumoren. Eine Biopsienadel wird am stereotaktischen Rahmen befestigt und entlang einer vordefinierten Richtung (Pfeil) in das Gehirn eingeführt, bis das Nadelende im vitalen Rand (Wachstumszone) des Tumors positioniert ist. Die hier blau dargestellten Blutgefäße werden sowohl vor der Biopsienadel als auch innerhalb des Entnahmefensters erkannt. Aussagekräftige Gewebeproben müssen vom vitalen Tumorrand entnommen werden. Dieser Bereich wird über die rote Fluoreszenz des selektiven Fluoreszenzmarkers erkannt.
© Laser-Forschungslabor, KUM / Niklas Markwardt

Mehrwert der internationalen Zusammenarbeit

Nur durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Partner ist der Erfolg des Projekts möglich. Während der industrielle russische Partner NeuroSpec seine Erfahrung und sein Know-how in der Herstellung von Medizinprodukten – speziell in der opto-mechanischen Fertigung – einbringt, ist die medizinische Expertise des klinischen russischen Partners Burdenko Neurosurgery Institute unverzichtbar für eine anwenderfreundliche Ausgestaltung des Produktes. Der deutsche akademische Partner Laser-Forschungslabor trägt sein Wissen und seine jahrzehntelange Erfahrung in der Fluoreszenzdiagnostik, der Gewebeoptik und der faserbasierten Sensorik bei, während der industrielle deutsche Partner MRC Systems durch seine Erfahrung in Medizin- und Lasertechnik die Gesamtintegration des Produkts inklusive stereotaktischen Zielsystemen und Software möglich macht. Nach Abschluss des Projekts wird eine medizinische Zulassung in Europa angestrebt.

Besondere Ergebnisse und Erfolge der Maßnahme

Abschwächung des Fluoreszenzsignals des selektiven Tumormarkers PpIX durch klinisch relevante Blutschichtdicken bei Anregung mit 405 nm (violett) und 633 nm (rot). Trotz geringerer Nachweisempfindlichkeit bei Verwendung der roten Anregungswellenlänge (kleine Grafik) eignet sie sich besser, weil Einblutungen in den Biopsiekanal viel weniger stören..
© Laser-Forschungslabor, KUM / Niklas Markwardt

Beim Vorschub einer Biopsienadel in stark durchblutetem Gewebe kommt es unweigerlich zur Verletzung kleiner Blutkapillaren und zum Ausfließen geringer Mengen Blut in den Stichkanal. In diesem Fall eignet sich Anregungslicht im roten Spektralbereich besser als üblicherweise eingesetztes blaues Anregungslicht, wie im Rahmen dieses Projekts gezeigt werden konnte.

Die Verletzung größerer Blutgefäße muss verlässlich vermieden werden. Zu deren Erkennung unter realitätsnahen Bedingungen wurde ein neues spektroskopisches Verfahren (Zerlegung von Strahlung) entwickelt, das ohne Verabreichung von Kontrastmitteln auskommt.

Bisher konnten vier wissenschaftliche Veröffentlichungen (zwei in einem begutachteten Journal, zwei in conference proceedings) publiziert werden. Zudem wurde ein Gebrauchsmuster beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet.

DLR Projektträger
Europäische und internationale Zusammenarbeit
Stefan Klumpp
Tel.: +49 228 3821-2038

MRC Systems GmbH
Medizintechnische Systeme
Dr. Marcus Götz
Tel.: +49 6221 13803-13